Nachdem beim letzten mu:v-Treffen das Bedürfnis und die Notwendigkeit geäußert wurde, sich vermehrt mit Fragen von Diversität im Kulturmanagement und bei mu:v zu beschäftigen, entschieden wir unseren Lernprozess als Initiative damit zu starten, uns die nächsten Monate im Rahmen von thematischen Workshops mit verschiedenen Aspekten von Diverstität auseinanderzusetzen.
Den Auftakt machte Jamila Al-Yousef, Kulturwissenschaftlerin und selbst Musikerin. Über Zoom gab sie uns einen ersten Einblick in die Rassismuskritische Kulturarbeit. Als „fehlerfreundlicher“ Workshop wurde hier ein Raum geschaffen, in dem Offenheit und Fragen hoch erwünscht waren. Nach einer kreativen Vorstellungsrunde gab uns Jamila zunächst einen Input zu diversitätsorientierter Öffnung und erklärte anhand von konkreten Beispielen wie diese in Kulturinstitutionen und Projekten umsetzbar gemacht werden kann. Darauf folgte ein Themenblock zum Begriff „Rassismus“ und der deutschen Kolonialgeschichte. Dabei bemerkten wir, wie wenig wir über die Geschichte des Rassismus bisher wussten und stellten fest, dass das Thema in unserer Schulbildung nicht präsent war. Im Anschluss widmeten wir uns dem Privilegientest, den wir im Vorfeld des Workshops ausgefüllt hatten und teilten unsere Erfahrungen in der Gruppe. Der Test machte die Privilegien und Vorteile sichtbar, die sich in der Gesellschaft für Menschen aufgrund ihres Weißseins ergeben. Diese stellen für weiße Menschen im Alltag eine Normalität dar, die oft unsichtbar bleibt, aber mit Vorteilen gegenüberPeople of Colour einhergehen, sei es bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum. Medien reproduzieren ebenso rassistische Vorurteile in Bild und Sprache. Diese sitzen fest in den Strukturen von Medienhäusern, Serien und Werbung – ein Teil des strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft. Jamila stellte diese Verankerung anhand verschiedener Beispiele eindrücklich dar. In diesem Kontext kann eine diskriminierungssensible Sprache einen ersten Schritt zur Überwindung ungleicher Machtverhältnisse darstellen.
Mit diesen einprägenden Darstellungen stellten wir uns schließlich im letzten Themenblock der „Rassismuskritischen Kulturarbeit“ die Frage, welche Form der Kulturarbeit es braucht, um einen möglichst rassismusfreien Raum zu schaffen. Hier spielt neben der Diskriminierungssensibilität auch die Repräsentation eine Rolle. Jamila zeigte uns hierfür gelungene Kulturprojekte, die sich dafür einsetzen, Schwarze Menschen als Selbstverständlichkeit sowohl auf, als auch hinter der Bühne zu bringen. Dabei warnte uns Jamila aber auch vor dem sogenannten „Tokenismus“: der Praxis, Menschen einer gesellschaftlich marginalisierten Gruppe nur als symbolisches Aushängeschild und als Quotenmigrant*in einzustellen oder einzuladen, um dadurch die eigentlichen Diskriminierungsmechanismen zu verschleiern und aufrechtzuerhalten. Um solche Praktiken zu umgehen, sei es wichtig, Diversitätsprojekte mit den Zielgruppen gemeinsam zu entwickeln und Gespräche zu führen. Mit Fragen wie „Was wünschst Du dir?“ oder „Wie willst Du dich einbringen?“ können die Zielpersonen dadurch die Themen selbst mitbestimmen.
Miteinander statt Gegen- oder Nebeneinander- dieser Gedanke steht im Zentrum unserer Diversitäts- Workshopreihen bei mu:v. Jamilas Workshop war dabei ein gelungener erster Auftakt, der uns in den knappen drei Stunden viele Anregungen dazu gab, wie wir uns nicht nur persönlich, sondern auch im Rahmen unserer Initiative mit dem Thema weiter auseinandersetzen können, um unseren Alltag und die Initiative als möglichst diskriminierungs- und rassismusfreien Raum zu gestalten. Wir danken Jamila sehr herzlich für diesen spannenden und anregenden Workshop!
Hier noch ein paar Gedanken der Teilnehmenden zum Workshop mit Jamila:
„Ich konnte aus dem Workshop richtig viele tolle Impulse mitnehmen und habe das Gefühl, jetzt wieder ein bisschen anders auf die Welt zu schauen. Ich bin gespannt, wie wir die Anregungen auch bei mu:v umsetzen werden!“
– Charly
„Ich habe Jamila sehr gerne aufmerksam zugehört. Wichtig fand ich ihre Beispiele und Erfahrungen aus andere Kultur-Projekten. Bei einem weiteren Workshop, der sich vielleicht sogar als Angebot der Jeunesses und mu:v für andere Interessierte öffnet, wäre ich gerne wieder dabei. Der Workshop war inhaltlich zurecht vollgepackt mit sehr wichtigen Aspekten der Geschichte und Gesellschaft. Mit prägenden Beispielen und Eindrücken zum Thema hat Jamila das sensible Thema besonders strukturiert und verständlich nähergebracht.“
– Simon
„Ich fand den gesamten Vortrag sehr abwechslungsreich und interessant, besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber der Überblick über Rassismus in der Kolonialgeschichte Deutschlands, der schon so viel länger andauert, als man es zum Beispiel in der Schule oder im Alltag lernt. Ich finde es unfassbar, dass ein so wichtiges Thema so wenig Aufmerksamkeit in der Bildung erfährt und das obwohl das alles auch heute noch ersichtlich ist. Auch die Beispiele zu Rassismus, denen man im Alltag begegnen kann, fand ich eindrucksvoll und erschreckend. Wenn man anfängt, so richtig über das Thema nachzudenken fällt einem wirklich richtig stark auf, wie weit verbreitet Rassismus leider zu sehen ist.“
– Lea
„Besonders nachdenklich gemacht hat mich die Tatsache, dass ich als weiße Frau bis heute noch in vielen Bereichen privilegiert bin. Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht oder mich so gefühlt, aber nach diesem Workshop ist es mir klar geworden. Daher erscheint es mir besonders wichtig, mich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen und mich in meinem Alltag gegen Rassismus einzusetzen.“
– Helen